Eine Reise der kleinen und großen Wunder


Ich weiß nicht, ob sie schon mal in ein fernes Land in den Urlaub geflogen sind und nicht ganz genau wussten, was sie erwartet? Man kann vieles planen: Flüge und Hotel im voraus buchen, aber man weiß nie so genau, wie es dann wirklich wird.

Genauso ist es mir vor dieser Reise im Juli 2017 gegangen. Wir hatten vorher vieles geplant, unzählige Male an die Diözese in Moshi geschrieben, aber trotzdem, war eigentlich nichts so richtig klar.

Wir planten zwei Seminare mit je 50 Pfarrern. Aber würden die Pfarrer wirklich kommen? Wir planten einen feierlichen Start unseres „Green Heart Award“ mit dem leitenden Bischof der Evang. Luth. Kirche in Tanzania Dr. F. Shoo. Aber würde der Bischof tatsächlich Zeit für dieses Ereignis haben? Bis zu unserem Abflug fehlte eine Terminzusage.

Es ist ja nicht so, dass ich zum Vergnügen nach Tansania fahre, sondern im Auftrag unseres Dekanates. Die Reisen kosten viel Kraft. Vorher muss man ein bestelltes Feld hinterlassen: Vertretungen für Gottesdienste und Religionsstunden müssten organisiert werden. Man muss sich als Gemeindepfarrer die Zeit freischaufeln, und die wichtigsten Angelegenheiten vorher erledigt haben.

Den Flug und die Unterbringungskosten zahle ich aus eigener Tasche. Und eine Tansaniareise ist eben nicht, wie viele Leute denken, Urlaub für mich, sondern ein harter Arbeitseinsatz mit oft 14-15 Arbeitsstunden pro Tag.

Warum also diese ganzen Mühen? – Sollen wir überhaupt losfliegen, wenn doch scheinbar noch nichts klar war? – Die Reise wurde eine Reise der kleinen und großen Wunder.

In der ersten Woche besuchten wir 10 Gemeinden, die in unserem Projekt für die Waisenkinder mitarbeiten. Wir haben Ihre Arbeit unter die Lupe genommen, indem wir mit den Beteiligten Interviews geführt und schriftliche Unterlagen geprüft haben. Das ging soweit, dass wir Bankunterlagen eingesehen haben, um den Verbleib von Spendengeldern vor Ort überprüft haben.

Ich war erstaunt, wie weit die Arbeit und das Engagement der Gemeinden fortgeschritten sind. Manche Gemeinden kenne ich nun schon über 15 Jahre. Wo am Anfang nur Resignation und Hoffnungslosigkeit herrschte, steht nun Selbstbewusstsein und Freude, den Waisenkindern effektiv helfen zu können.

In einigen Gemeinden geht das sogar soweit, dass sie begonnen haben andere Gemeinden zu überzeugen, wie wichtig die diakonische Arbeit ist.

Hieß es vor 15 Jahren noch: „Wir können nichts für die Waisen tun, weil wir kein Geld haben“, so wird jetzt überall fleißig selber  Geld gesammelt. Das heißt nicht, dass wir aus Deutschland nicht mehr unterstützen müssen, denn viele Gemeinden sind nach wie vor durch die hohe Anzahl ihrer Waisenkinder überfordert. Aber es ist wichtig, dass sie auch ihren Beitrag leisten. Da fühlen sich unsere tansanischen Geschwister dort auch besser, denn sie wissen, es sind unsere Waisenkinder und wir können etwas für sie tun.

Die Gemeinde als Netzwerk

In der zweiten Woche kamen tatsächlich jeweils fünfzig Pfarrer zu den zwei Seminarblöcken. Pfr. Stefan Scheuerl aus Lauben und ich, unterstützt durch das örtliche Team von HuYamwi lehrten in einem Crashkurs über die Bedeutung der diakonischen Arbeit als dritte Standbein der Kirche.

Dabei ging es im Seminarraum munter zu, als wir in einem Anspiel die typische Situation eines Pfarrer darstellten, bei dem ein Waisenkind Hilfe sucht. Hier fühlt sich die teilnehmenden Pfarrer verstanden. Das ist ihre tägliche Situation. Gemeinsam konnten wir Strategien entwickeln, wie ein Pfarrer die einzelnen Gruppen in seiner Gemeinde zu einem Netzwerk der Hilfe verknüpft, um den Waisenkindern helfen zu können. Fazit der Teilnehmer: Dieses Seminar sollte in ganz Tansania unterrichtet werden und die Teilnehmer wünschten sich eine Auffrischungsseminar nach spätestens zwei Jahren. Viele Pfarrer, die bisher noch nicht konsequent mit der diakonischen Arbeit begonnen hatten, versprachen jetzt richtig einzusteigen.

Bischof Dr. Shoo überreicht einen Teller mit Ziegenfleisch an Waisenkinder

Höhepunkt der Reise war der letzte Tag. In einem Festgottesdienst verlieh der leitende Bischof der Evang. Luth. Kirche,  Dr. Fredrick Shoo, den zehn Gemeinden, die wir in der ersten Woche geprüft hatten ein grünes Herz, den „Green Heart Award“, als Zeichen für hervorragende diakonischen Arbeit. Der Gottesdienst wurde im Radio und TV in ganz Tansania ausgestrahlt. Dabei war die Teilnahme des Bischofs bis zuletzt ungewiss, da er am Tag zuvor  die Hochzeit seiner Tochter mit 1500 Gästen gefeiert und eigentlich seit Jahresbeginn an diesem Sonntag noch einer anderer Termin vorgesehen war. Trotzdem kam er. Ein Bekenntnis, wie wichtig ihm die diakonische Arbeit und die Waisenkinder sind. Beim anschließenden Empfang mit gebratener Ziege übergab Bischof Dr. Shoo den Waisenkindern zuerst einen Teller. Für Tansania ein starkes Symbol.

Pfr. Dr. Martin Burkhardt