Zwei Pfarrer fliegen vor Weihnachten nach Tansania


Reisebericht von Pfarrrer Dr. Martin Burkhardt „Seminare über Pfarrer in der Waisenarbeit“ Tansania Dezember 2015

Warum fährt ein Gemeindepfarrer im Advent nach Tansania? Ist das nicht die Zeit im Kirchenjahr, wo ein Pfarrer für die eigene Gemeinde da zu sein hat? Diese und weitere Frage werden sich viele Gemeindeglieder gestellt haben, als meine Reise nach Tansania bekannt wurde. Aber: kann man sich der Einladung zweier tansanischer Bischöfe entziehen und der Bitte vor ihren Pfarrern zu sprechen?

Deshalb haben Pfr. Stefan Scheuerl aus Lauben und ich an der jährlich im Advent stattfindenden

 

Zusammenkunft aller Pfarrer der größten Diözese der Lutherischen Kirche Tansanias, der Nord Zentral Diözese mit Sitz in Arusha teilgenommen. Auch der Bischof der Nord Diözese Dr. Shoo –viele kennen ihn – bat uns an einem Pfarrerseminar seiner Diözese dabei zu sein.

An beiden Veranstaltungen waren gut 150 Pfarrer/innen samt den Bischöfen anwesend.  Aus zwei weiteren Diözesen (Morogoro und der Süddiözese) kamen weitere Teilnehmer hinzu.

Pfarrerseminarteilnehmer DSC00707

 

Das Waisenprojekt HuYamwi, das im Jahr 2002 von mir und dem damaligen Leiter derBibelschule Mwika, Dr. Shoo mit anfangs nur vier Gemeinden begonnen wurde, findet bei der tansanischen Kirche immer größeres Interesse. Immer mehr Pfarrer wollen Informationen und fragen intensiv nach ihrer Aufgabe in dieser wichtigen diakonischen Arbeit. Es ist ja so, dass außerhalb der Kirchengemeinden sich kaum jemand um die Ärmsten der Armen, das sind die Witwen und Waisen, kümmert.

Im Seminarraum DSC00724 kl

 

 

So war diese Gelegenheit geradezu ein Geschenk, das Stefan Scheuerl und ich gerne nutzten, um unserem Projekt

und der diakonischen Arbeit in Tansania eine tiefere geistliche Ausrichtung zu geben. Wenn sich unser Projekt ausweiten soll, dann ist das nur möglich, wenn die beteiligten Kirchengemeinden ihre finanzielle, organisatorische und geistliche Verantwortung stärker wahrnehmen als bisher. Es geht darum, dass unsere tansanischen Partner sich nicht nur begnügen, Gelder aus Deutschland zu verteilen, sondern die Sorge für die Waisenkinder als ihre zentrale Aufgabe erkennen. Ganz entsprechend dem Gleichnis von den „fünf Broten und zwei Fischen“ müssen die Verantwortlichen innerhalb ihrer eigenen Gemeinde nach Lösungen suchen, die es ihnen ermöglicht, diese gewaltige diakonische Aufgabe zu bewältigen. Stefan Scheuerl legte dies an Hand der Speisung der 5000 nach Johannes 6 aus. Es war unmöglich, für diese gewaltige Menschenmenge – fünftausend Männer plus Frauen und Kinder- Brot von außen zu kaufen. „Zweihundert Silbergroschen“ ( Joh 6,7) sind dafür nicht genug. Diese 200 Silbergroschen waren Spendergeld, das von reichen Frauen stammte, die Jesus und seine Bewegung unterstützten (Lukas 8,1-3).

Genauso ist es unmöglich, alle 3 Mio Waisenkinder in Tansania mit ausländischem Geld zu versorgen. Eine flächendeckende Versorgung ist nur dann möglich, wenn jede tansanische Kirchengemeinde sich dieser Herkulesaufgabe stellt ihre eigenen gewaltigen Ressourcen erkennt und mobilisiert und für sich nach den „fünf Broten und zwei Fischen“ sucht.

beim Vortrag DSC00676

Dabei geht es längst nicht nur um die Mobilisierung der Spendenbereitschaft tansanischer Christen. Ein Großteil der Hilfe, die Waisen und Witwen brauchen, ist nicht finanzieller Art. Es geht um Zuwendung, praktische Hilfe etwa bei Haus-Reparaturen, Rat, Beistand bei Streitigkeiten, Einlagung zum Mitleben und vieles andere mehr.

Dann kann es zu der Vervielfachung kommen, bei der am Schluss, wie im Evangelium berichtet, alle satt werden und sogar noch einiges übrig bleibt.

Es geht darum eine neue Sicht für die christliche Gemeinde vor Ort zu gewinnen: Sie ist nach Bill Hybels „die Lösung für viele Probleme der Welt“. Wenn die Gemeinde als Braut Christi, den Leib Christi hier auf Erden repräsentiert (Epheser 5), dann wohnt in ihr die Fülle und Liebe Gottes mit unbegrenzten Möglichkeiten. Deshalb lautete das Thema unseres Seminars: „ Gott ist der Vater der Waisen (Ps. 68,1) und die Kirche ihre Mutter“.

Diakonie ist wahrer Gottesdienst und die Einheit der Gemeinde in Gott. Durch die Feier des Hl. Abendmahls werden wir zu einer Einheit in Jesus Christus, zum Leib Christi. Von dieser Einheit darf niemand ausgeschlossen werden, weil er arm oder hilfsbedürftig ist.

Abendmahlsgottesdienst DSC00703 kl

Wir spürten, dass unsere Botschaft angekommen war, als sich bei einem abschließenden

Abendmahlsgottesdienst die Pfarrer am Altar im stillen Gebet vor Gott verpflichteten, die diakonische Arbeit zu ihrer Herzenssache zu machen. Anschließend bekamen sie eine laminierte Tafel mit den Hauptthemen des Seminars überreicht, die sie als Erinnerung in ihren Büros aufhängen können:

-„Gott ist der Vater der Waisen, die Kirche ihre Mutter“;

-„Gott sagt: „Gebt ihr ihnen zu essen“

-„Laßt uns einen Arm zum Lob Gottes erheben und den andern dem notleidenden Kind hinunter reichen“

Es war für mich persönlich wie ein Wunder, dass sich während und nach dem Seminar viele Fragen und Ideen, die ich schon seit Jahren auf dem Herzen hatte, wie Puzzleteile zu einem Ganzen fügten.

Wir arbeiten nun zusammen mit Diakon Mori an einem Drei-Jahresplan bis 2018. Bis dahin, wollen wir uns darauf vorbereiten, dass wir das Programm unseres Projektes für alle zwanzig lutherischen Diözesen in Tansania anbieten können. Dabei geht es zuerst um Aus- und Fortbildung in allen Belangen der Waisenarbeit und einen Anreiz, das Gelernte auch umzusetzen. Mit einem „Green heart award“ (=Auszeichnung mit grünen Herzen) soll jede Gemeinde ähnlich der Fünfsterne Bewertung bei Hotels entsprechend ihren Fortschritten in der diakonischen Arbeit ausgezeichnet werden. Wir hoffen, dass diese Auszeichnung, wenn sie von den Bischöfen höchst persönlich im Rahmen einer offiziellen Feierstunde mit einer entsprechenden öffentlichen Berichterstattung überreicht wird, in Tansania zu einem Renner werden könnte. Ob das funktioniert- wollen wir, -beginnend in 2016- mit einigen Pilotgemeinden, ausprobieren.

Martin Kimati und Mori DSC00770kl

Gleichzeitig beginnen wir damit unsere bisherige Vorgehensweise in vielen Arbeitsbereichen

zu überdenken und umzustellen. Wir wollen den Gemeinden mehr Verantwortung übertragen. Das entlastet das „Huyamwi-Team“ um Diakon Mori und soll in den Gemeinden, die Suche nach den „Fünf Broten und zwei Fischen“ freisetzen.

1. Als erstes werden wir unser bisheriges Patenschaftsmodell umstellen. Wurde bisher jedes Patenkind einzelnen von Diakon Mori betreut, so geht diese Verantwortung nun an die Gemeinden über. Die 19 Pilotgemeinden werden nun jeweils einen „Patenschaftspool“ gründen, indem sie versuchen, so viele bedürftige Waisenkinder wie möglich unterzubringen und deren Schulgebühren soweit wie möglich selber zu finanzieren. Diakon Mori wird der Gemeinde mit Rat und Tat zur Seite stehen und bei entsprechenden Bedarf über Mewaiki in Deutschland nach Sponsoren suchen, die die jeweilige Kirchengemeinde bei der Finanzierung eines kleinen Teils ihres Ausbildungspools unterstützt. Dabei können sich natürlich auch mehrere Sponsoren an der Finanzierung eines Pools einer Kirchengemeinde beteiligen oder eine deutsche Kirchengemeinde kann die Unterstützung des Ausbildungspool einer tansanischen Schwesterngemeinde zu ihrer Aufgabe machen. Wichtig: Alle derzeit bestehenden Ausbildungspatenschaften bleiben von dieser Maßnahme unberührt. Wir lassen sie weiterlaufen, bis das geförderte Waisenkind sein nächstes Ausbildungsziel erreicht hat.

Stefan Mori Martin Dr. Shoo DSC00784kl

Höhepunkt und Abschluss unserer Reise war ein Gespräch mit Bischof Dr. Shoo, der seit Januar leitender Bischof der lutherischen Kirche in Tansania (ELCT) ist, ähnlich wie Landesbischof Bedford-Strom als EKD-Ratsvorsitzender. Als wir Dr. Shoo unsere Pläne und die Vorstellung eines „Green Heart Award“ vorstellten, sagte er „Go ahead“ – „Setzt es um!“. Er hatte uns selbst ans Herz gelegt, das Waisenprojekt auf Nachhaltigkeit umzustellen und hat bei mehreren Veranstaltungen unsere Bitte umgesetzt, als Bischof kleine Kinder und Waisenkinder an seinen Tisch zu holen.